Dekaron in 2020 – kann man das noch spielen?

Dekaron im Jahre 2020 spielen. Geht das noch? Kann man das überhaupt noch? Warum ein Spiel, welches vor 16 Jahren auf den Markt kam und damals schon nicht das Beste war, trotzdem Spaß macht.

Dekaron? Nie gehört!

Falls ihr euch jetzt fragt: „Was ist überhaupt Dekaron?“, dann ist das wohl berechtigt. Dekaron ist ein „Extreme Action Online RPG“, wie es sich selbst beschreibt, und erschien erstmals Ende 2004 im asiatischen Markt. Es wurde für seine für damalige Verhältnisse herausragende Grafikengine schnell gelobt und gefeiert. Schnell wuchs auch das Interesse des westlichen Marktes für das Spiel. Zusammen mit dem ursprünglichen Entwickler GameHi portierte die Firma Acclaim Games, gemeinsam mit Earthworm Jim Erfinder David Perry, das Spiel für die westliche Welt. 2006 veröffentlicht unter den Namen 2Moons und mit, für seine Zeit, revolutionärem Free-to-play Prinzip, blieb der gewünschte Erfolg leider aus. Das „brutalste Online RPG aller Zeiten“, wie Perry es in einem Interview beschreibt, erlangt nur wenig Zuspruch im konservativem Amerika – das Free-to-play kommt hingegen gut an.

Nur fünf Jahre später schließt das westliche Dekaron, 2Moons, wieder. Die Spieler können ihre Charaktere allerdings mit in das neue „Dekaron Global“ nehmen. Nach einigen Verkäufen des Titels liegen die Rechte nun bei Papaya Play, die das Spiel aktuell weltweit online halten. Im letzten Jahr gelang es dem Titel, erneut in die Medien zu kommen, denn der koreanische Publisher ThumbAge plant eine mobile Version des MMO-Klassikers. Weitere Infos gibt es dazu aktuell leider noch nicht.

Soweit seid ihr nun also im Bilde, was Dekaron eigentlich ist und wie es so lange überlebt hat. Wir haben also ein vor 16 Jahren entwickeltes, oftmals verkauftes, zwischendurch geschlossenes Spiel, dass es trotzdem schafft, immernoch zu überleben. Wie machen die das? Schauen wir doch mal rein.

Hallo, ist da noch jemand?

Es ist mittlerweile gut zehn Jahre her, dass ich Dekaron das letzte Mal gespielt habe. Es gehörte damals zu meinen Lieblingsspielen, denn obwohl ich den asiatischen Stil normalerweise meide, finde ich es einfach nur genial, wenn das Schwert, welches mein Charakter schwingt, mindestens so groß wie er selbst ist. Genau das bot Dekaron damals, und tut es heute noch. Durch seine bunten Skillanimationen und ein durchdachtes, schnelles Kampfsystem, gepaart mit „blood and gore violence“, zog Dekaron damals hunderttausende Spieler in seinen Bann, doch wo sind die heute? Seit Monaten ist es in der Social Media Landschaft still um den Titel geworden. Die alten Foren sind tot, auf Twitter gibt es noch eine einzige Cosplayerin, die sich dem Spiel annimmt, ansonsten hört man nichts. Selbst der letzte Tweet des offiziellen Dekaron Accounts ist elf Jahre her. Kein gutes Omen.

Willkommen in Ardeca, Beschwörer!

Als ich das erste mal den Client von Dekaron starte (wir schreiben Februar 2020), muss ich grinsen. Das Spiel öffnet sich im Fenstermodus, 800×600 als Auflösung. Doch davon lässt sich ein tapferer Streiter wie ich ja nicht ablenken. Es gibt kein Optionsmenü, bevor wir die Welt von Dekaron betreten, also erstelle ich meinen Charakter eben in 800×600. Das fällt mir leichter als gedacht, denn Persoanlisierungsmöglichkeiten gibt es keine. Jede der 12 Klassen ist genderlocked (Die Klasse ist an ein Geschlecht gebunden), Anpassungen an Gesicht, Haaren oder Körperbau gibt es nicht. Positiv fällt mir jedoch auf, dass sich in den zehn Jahren meiner Abwesenheit scheinbar ganze fünf neue Klassen in das Spiel gemogelt haben, cool! Auch wenn mir der neue „Dark Wizard“ sehr zusagt, bleibe ich erstmal bei dem, was ich schon kenne. In der Hoffnung, mich besser im Spiel zurrecht zu finden, wähle ich meinen alten Main, einen Vicious Summoner. Dieser ist der klassische Allrounder. Er kämpft entweder mit einem Stab auf magischen Schaden, oder mit zwei Klingen für physischen Schaden – er steckt viel ein, teilt ordentlich aus, und kann Monster beschwören. Fand ich damals mega, find ich auch heute noch gut.

Jetzt noch schnell einen Namen auswählen und… Moment mal, was? Das Spiel bietet mir, scheinbar im Rahmen eines Events, an, direkt auf Stufe 170 zu springen. Als Vergleich – so hoch war ich vor zehn Jahren in über einem Jahr nicht gekommen.

Ich lehne dankend ab und entscheide mich dazu, meinen Charakter auf Level 1 zu erstellen. Einfach zum Test erstelle ich danach auf einen auf Stufe 170, man bekommt zeitlich begrenztes, aber extrem starkes Equipment geschenkt. Absurd. Zurück zu Level eins also.

Wo bin ich?!

Level 1 Charakter auswählen, einen der drei Server wählen (hier steht auch ein No-PK Server zu Auswahl, auch das ist neu!), connect drücken und da bin ich. Im guten Alten Loa Cas…. nein. In einer Stadt Namens Ardeca. Die beiden alten Startgebiete Loa Castle und Braiken Castle scheinen abgeschafft worden zu sein, schade. Nun gut, also – hallo Ardeca! Ich sehe mich um, laufe ein wenig durch die Stadt und stolpere über den ein oder anderen Player-Shop. Das ist übrigens ein Feature, welches ich in neuen MMOs vermisse. Ich mochte es, über den Markt zu schlendern und mir anzusehen, was die Leute anzubieten haben, aber nun gut. Ich drehe mich um und schwebe plötzlich in der Luft. Texturen flackern, verschwinden zeitweise oder laden gar nicht erst. Auf meinem Weg aus der Stadt heraus passiert mir das noch öfter.

Einmal raus aus Ardeca und diese Fehler verschwinden völlig. Wärt ihr doch bei Loa Castle geblieben, Mensch! Von der Preview unserer Charakters bei der Erstellung ist wenig übrig. Statt dicker Rüstung und zwei Schwertern führen wir in Lederkluft einen Dolch in die Schlacht – gegen zu große Motten, Skelette und leuchtende Hirsche.

Immerhin habe ich es mittlerweile geschafft, das Spiel in Vollbild und HD Auflösung zu bringen, das wird auch so unterstützt, doch leider nicht von der User Interface – die bleibt klein. Ich töte das erste Monster und erreiche sofort Stufe drei. Ein blinkendes Symbol in der oberen Bildschirmhälfte macht mich darauf aufmerksam, dass gerade ein Event stattfindet, welches doppelte Erfahrung ermöglicht. Okay, ein guter Zeitpunkt um anzufangen, denke ich mir. Ein anderes blinkendes Symbol sagt mir, in welchem Gebiet ich mit meinem Level am besten leveln sollte, bietet mir auch an, mich direkt dorthin zu teleportieren. Praktisch. Apropos praktisch – auch einen Bot hat das Spiel mittlerweile direkt eingebaut. Hier kann ich mir Skillreihenfolgen aussuchen und die Reichweite festellen.

Dann mal ran ans Werk!

Prügelnd, mordernd, leuchtende Hirsche in Fetzen reißend verbringe ich meine ersten 15 Level, ab und an finde ich sogar mal eine Quest, die sich aber immer beschränkt auf „Töte 15 davon“ oder „Bring mir 5 davon“. Mit ab und zu meine ich übrigens genau viermal. Ich erreiche schnell den Punkt, an dem ich dankbar bin, das Spiel schoneinmal gespielt zu haben. Tutorials? Fehlanzeige. Dekaron lässt uns hier komplett alleine.

Vorallem in einem Spiel, in dem ich meine Attribute selbst verteilen muss, hätte ich mir ein bisschen Hilfe gewünscht. Ich wusste nur aus meinem Erfahrungswert, was ich als Summoner denn überhaupt brauche.

Und so laufe ich weiter der virtuellen Nase nach in ein Gebiet nach dem anderen. Von den hellen und freundlichen Wiesen von Ardeca, durch die unwirkliche und uneinladende Ebene von Deneb bis in die eisigen Gipfel von Heihaff, erst hier werde ich gebremst, weil die Monster langsam zu stark für mich werden. Einen konkreten Grund, wieso ich hier bin, gibt es übrigens nicht. Ich bin nun auf Stufe 29 und das Spiel hat auch bis dato noch keine Hilfestellung geboten. Also laufe ich einfach weiter und töte, was mir so vor die Schwerter kommt.

Langweilig ist das überraschenderweise aber nicht – denn während Grafik und Animationen die letzten 16 Jahre nicht unbedingt gut überdauerten, tat es das Kampfsystem mit einem Lächeln auf den Lippen. Das Kämpfen in Dekaron fühlt sich immernoch richtig gut an. Selbst ich, mit meinem Level 29 Summoner, fühle mich, als hätten meine Skills Impact ohne Ende. Feinde werden regelrecht zerfetzt von dem Schlaghagel meines „Devil Swings“ und ich liebe es dabei zuzusehen, wie sich auch die Animationen der Fähigkeiten im steigenden Skillevel verändern. So schieße ich mit „Spirit Dagger“ am Anfang noch ein mikriges Schwert nach vorne – ist der Skill aber erstmal auf Stufe zehn, schmeiße ich meinem Gegner eine ganze Armada von beschworenen Schwertern entgegen – das fühlt sich einfach mächtig an.

Der Kampf gegen die Langweile

Treffender könnte diese Überschrift nicht sein. Mittlerweile habe ich Stufe 36 erlangt und bin langsam aber sicher zu stark für die Monster in Heihaff. Immer Richtung Parca Temple kämpfe ich mich durch, bis ich endlich im eisigen Schrein von Parca angekommen bin. Hier war früher das Epizentrum der Spieler – doch er ist vollkommen leer. Ich lese zwar permanent Dinge im World-Chat, einen echten Spieler habe ich auf meinem Weg bis hierher aber nicht gesehen.

Im Parca Temple finde ich einen Raum mit Monstern, gegen die ich sehr gut ankommen kann und die mir trotzdem, noch immer ungewöhnlich viel, Erfahrung geben. Man steigt heutzutage sehr viel schneller auf, als es damals der Fall war. Ich vermute, das liegt vorallem daran, dass Dekaron wenig neue Spieler begeistern kann und der Großteil der Spielerschaft im High-Level sein wird – das würde auch erklären, wieso ich niemanden getroffen habe.

Ich bin so beeindruckt von dem flüssigen Kampf, dass ich regelrecht in einen Flow gelange, aus dem ich nicht mehr rauskomme. Erst geschlagene drei Stunden später wird mir klar, dass das irgendwie doch ziemlich doof ist. Aber ihr habt richtig gelesen, ich habe drei Stunden im gleichen Raum die immer gleichen Monster verprügelt und hatte dabei einen Heidenspaß. Ich bin mittlerweile auf Level 52 (In etwa fünf Stunden Spielzeit, früher habe ich dafür eine Woche gebraucht) und langsam wird mir der Grind zu langwierig. Die kleinen Ziele, mit denen man sich bei Laune hält, werden rar. Der nächste neue Skill ist 16 Level entfernt, so lange möchte ich das nicht mehr machen. Ich beschließe, das Projekt für heute zu beenden.

Darf ich vorstellen? Der Raum, der mich die letzten drei Stunden begleitet hat. Auch wenn ich mittlerweile schon ziemlich cool aussehe, hat die Langeweile der Monotonie am Ende gewonnen.

Aufsteigend? Nein, ganz oben!

Am Abend erzähle ich einem alten Gildenkameraden von meinem erneuten Ausflug nach Ardeca, und dieser entgegnete mir völlig entsetzt: „Du musst ja auch Rising spielen, offiziell spielt niemand mehr.“

Spannende Aussage, dachte ich mir, und fing an, mich schlau zu machen. Bei Dekaron Rising handelt es sich um einen sogenannten Privatserver. Er wird also nicht offiziell von den Entwicklern betrieben, sondern von Privatleuten. Man levelt doch auch um einiges schneller. Obwohl ich eigentlich kein Freund von Privatservern bin, hat mich die Lust an Dekaron so gepackt, dass ich es ausprobieren möchte. Ich starte meine Reise also erneut, diesmal in Dekaron Rising.

Direkt zu Anfang bin ich positiv überrascht. Rising bietet ein eigenes Intro, einen eigenen Soundtrack und einen Beginner’s Guide auf Ihrer Website, von dem das offizielle Spiel nur träumen kann. Auch die Interface ist hier besser an die 1920×1080 Auflösung angepasst. Also; Vicious Summoner erstellen, Namen eingeben, Channel auswählen und connect – hier bin ich. Das selbe Ardeca lädt, wesentlich länger als im Hauptspiel.

Anders und besser

Nach dem Ladebildschirm wird mir auch direkt klar, wieso: Ardeca ist voll. Man kann vor lauter Spielern kaum den Boden sehen, im Chat herrschen angeregte Gespräche und ich werde nach nur wenigen Schritten gefragt, ob ich Hilfe brauche. Nicht vom Spiel selbst, nein, von einem ganz normalen Spieler. Ich verneine das und sehe mich erstmal selbst um. Ihr erinnert euch an die ganzen Bugs in Ardeca, die ich oben erwähnte? Gibt es hier nicht. Rising läuft flüssiger und fehlerfreier als der offizielle Titel, auch mein Ping ist deutlich besser.

Ich verlasse die Stadt und siehe da: Hilfefenster. Auf der Karte ist ein Weg eingezeichnet, den ich optimalerweise gehen sollte. Mit jedem Level Up erscheint ein neues Tipp-Fenster, was mir nach und nach die einzelnen Mechaniken des Spiels erklärt.

Wieso fehlt eine so essenzielle Sache im „richtigen“ Dekaron? Hier beweisen die Privatbetreiber von Rising wesentlich mehr Liebe für ihr Projekt, und das trotz weniger Mitteln. In ungefähr einer Stunde erreiche ich Stufe 180, die Ausrüstung die ich brauche, habe ich auf dem Weg finden können. Man merkt, das Spiel zieht hier die Bremse an, denn das Leveln ab 180 dauert wesentlich länger – und das finde ich gut. Man erreicht in Rising sehr schnell eine Stufe, in dem man alles gelernt hat, was sein Charakter kann, doch bis zum Maximallevel 210 und dem perfekten Equipment für meinen Summoner werden noch einige Stunden an mir vorbei ziehen.

Fazit

Meine Antwort ist klar: Ja! Man kann und sollte Dekaron auch im Jahr 2020 noch versuchen. Wer sich mit der veralteten Grafik und der teils umständlichen Steuerung anfreunden kann, bekommt hier einen Action-Knaller serviert, der sich erstaunlich gut gehalten hat. Das Kämpfen fühlt sich in Dekaron so gut an wie in fast keinem anderen MMORPG. Ich würde allerdings jedem von euch dazu raten, es statt dem offiziellen Server mit Dekaron Rising zu versuchen. Hier erhaltet ihr eine starke Community, rund um die Uhr erreichbare GameMaster, einen Discord für Spieler, tägliche Events und Raids, sowohl für PvE als auch für PvP Spieler.

Natürlich habt ihr hier keine ausgefallenen Quests oder eine innovative Story (oder überhaupt eine Story – die wurde nämlich damals nur für den westlichen Markt mit 2Moons eingeführt und mit dessen Sterben auch wieder gestrichen). Aber wenn ihr einfach nur verdammt cool dabei aussehen wollt, wie ihr zahllose Monster mit kolossalen Skilleffekten ins Jenseits katapuliert, dann ist Dekaron auch 2020 noch eine wirklich gute Investition eurer Zeit.

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