Gothic – Remaster oder Redisaster?

Heute Morgen bestätigte THQ Nordic das, was viele Fans bereits hofften: „Ja, wir machen es.“ Aus dem Gothic Playable Teaser wird ein ganzes Spiel. Doch ist das nun gut oder schlecht? Können wir das überhaupt schon sagen und ist das, was uns erwartet, tatsächlich das, was die Fans wollen? Remaster oder Redisaster?

Was ist hier überhaupt los?

„Ja, wir machen es.“ Soweit die Meldung aus Wien vom Morgen des 19.02.2020. Für die unter euch, die sich jetzt fragen „Was denn?“, fasse ich einmal kurz zusammen, worum es hier überhaupt geht.
Am 13. Dezember 2019 erschien überraschend der „Gothic Playable Teaser“ auf Steam, er war gratis zum Download für all jene verfügbar, die ein Piranha Bytes Spiel in ihrer Steam-Bibliothek hatten. Beim Teaser handelte es sich um ein Remake, das möchte ich aufgrund des Titels des Artikels direkt klar stellen.

Unter einem Remake versteht man eine komplette Neu-Auflage des Spiels. Das Spiel wird also von den Grundsteinen neu aufgebaut und neu gemacht. Ein Remaster hingegen verbessert nur das vorhandene Spiel und bessert beispielsweise Grafiken oder User Interfaces aus.

Nach dem Durchspielen des rund drei Stunden langen Teasers wurde man gebeten, an einer Umfrage teilzunehmen. Anhanddessen wollte THQ Nordic auswerten, ob sich ein Remake des gesamten Spiels denn überhaupt lohnen würde, und – wenn ja – herausfinden, was genau die Fans wollen. Direkt von Beginn an wurde allerdings klar gestellt: Piranha Bytes, also die Gothic-Erfinder aus dem Ruhrpott, haben und werden nichts mit dem Remake zu tun haben. Nun ist klar, dass THQ Nordic ein eigenes Studio aufbauen möchte, um das Remake umzusetzen – denn die Fans antworteten klar: Über 94% der knapp 43.000 Teilnehmern der Umfrage wollen das Gothic Remake.

Doch sollte THQ deswegen so weitermachen wie bisher? Auch ich gehöre zu den 94% und habe mit „Ja, gebt mir ein Gothic Remake“ gestimmt – doch ganz gewiss nicht so, wie es jetzt ist.

Was gab es zu spielen?

Direkt zu Beginn macht uns THQ Nordic klar, dass sie sich nicht an das klassische Gothic-Gefühl halten wollen. Kein Feuermagier labert uns mehr voll, wir werden freundlich gebeten, eine Nachricht mit in die Barriere zu nehmen, und werden in einen Aufzug gesteckt, anstatt hinuntergeworfen zu werden. Kurz darauf explodiert der Aufzug und wir fallen letzten Endes doch in das kühle Nass am Grund. Nach einigen Metern werden wir in einer Cutscene von ein paar Snappern begrüßt, welche uns gnadenlos den Gar ausmachen. Das erste Mal, dass sich das hier anfühlt wie das altbekannte Gothic.

Wir gehen zu Boden und fallen in Ohnmacht, nur um wenig später von Diego geweckt zu werden – endlich ein bekanntes Gesicht, denkt man sich. Falsch gedacht. Denn außer dem Namen hat der neue Diego eigentlich nichts mehr mit dem Diego gemein, den wir kannten. Schade.
Diego ist nett und zuvorkommend, stellt sich vor und möchte uns direkt ins Alte Lager führen, allerdings nicht, ohne uns vorher noch ein paar Nebenquests mit auf den Weg zu geben.

Direkt wird klar – das ist kein Gothic, wie wir es kennen. Questmarker, einzelne Qustabschnitte, die praktisch in der oberen Ecke angezeigt werden und auf Nachfrage bei Diego spendiert uns die Weltkarte noch einen pulsierenden Punkt. Wir wollen doch nicht etwa in die Verlegenheit kommen, etwas suchen zu müssen!

Wir schauen uns einige Zeit in der grafisch beeindruckenden Umgebung um, sammeln ein altes Schwert auf, treffen einen neuen NPC und machen uns letztlich mit Diego auf den Weg ins alte Lager. Hier endet der Playable Teaser und lässt uns mit vielen offenen Fragen zurück.

Gothic von den Leuten, denen Gothic zu schwer war

Die drei Stunden Spielzeit geben viel Aufschluss darüber, wohin THQ Nordic mit diesem Remake möchte. Sie wollen kein altes Gothic neu auflegen, sie wollen Gothic ihren eigenen, zeitgemäßen Stempel aufdrücken. Dazu gehören für das Entwicklerstudio wohl auch Questmarker, gehighlightete Objeke in der Welt und den Austausch des so beliebten, stumpfen Ruhrpott-Humors gegen aufgesetzte Komik.

Der Playable Teaser gibt uns zahlreiche Möglichkeiten an die Hand, uns das Spiel leichter zu machen, bisher auch ohne die Fähigkeit, ebendiese zu deaktivieren. Einzig und allein das hakelige Kampfsystem fühlt sich noch nach dem ersten Gothic an, und genau das sollte doch eigentlich am ehesten verbessert werden. THQ Nordic macht Gothic hier zu einem modernen Action RPG, was kein schlechter Ansatz ist – doch mit dem alten Gothic nicht mehr viel zu tun hat. Doch ist das wirklich schlecht?

Die Gothic-Fans sind ein alteingessesenes Publikum und wünschen sich ein Gothic von heute, so wie es in ihren Erinnerungen aussieht. Auch ich habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass das hier eben kein altes Gothic in schön, sondern ein neues Gothic werden soll. THQs ganz eigenes Gothic. Doch trotzdem haben 85% der befragten Spieler angegeben, sie seien Hardcore Gothic Fan – auch hier fühle ich mich wieder angesprochen. Ja, ich möchte ein neues Gothic und ja, ich bin ein „diehard Gothic Fan“, doch hier muss noch so viel passieren.

Ich rede hier nicht von den schlechten Animationen, dem hakeligen und verbuggten Kampfsystem oder der fehlenden Mimik der Charaktere. Das sind immerhin alles Dinge, die im Verlauf der Entwicklung noch behoben werden können. Das Problem ist das Feeling, denn ich fühle mich im Minental von 2019 nicht mehr Zuhause.

Das Gothic-Gefühl

Doch warum ist das so? Darüber musste ich selbst lange nachdenken. Direkt nach dem Spielen des PT fühlte ich mich, auf gut deutsch, verarscht. Das hat sich nun geändert – dennoch stehe ich dem Remake skeptisch gegenüber, und ich bin mir sicher, dass ich hier nicht alleine bin. Warum? Immerhin 97,4% der Spieler gaben an, dass RPGs ihr Lieblingsgenre ist, über 90% spielen am liebsten auf dem PC, und ebenfalls über 90% der Teilnehmer haben Witcher 3 gespielt.

Es ist also klar – was die Fans hier erwarten, ist ein Rollenspiel. Was THQ Nordic hier präsentiert, ist ein Action-Adventure. Gut, immerhin knapp 44% gaben an, dass Action Adventure zu ihren Lieblingsspielen zählen – es landet somit auf Platz zwei im Ranking, hinter den RPGs mit mehr als doppelt so vielen Stimmen. Ich hoffe also, dass THQ hieraus lernt und sich die Richtung, in welche sie das Spiel entwickeln, noch ändern wird. Es ist okay, die Story anzupassen, doch unter den Action-RPG Hammern von heute wird ein Gothic, so wie es im PT angegangen wird, untergehen.

Wir brauchen mehr Alleinstellungsmerkmale. Wir brauchen mehr Gothic-Gefühl. Denn gerade Gothic ist seit jeher bekannt dafür, dem Spieler „volles Pfund auf’s Maul“ zu hauen und ihn gerade nicht an der Hand zu nehmen. Wir möchten keine Questmarker und wir möchten keinen Questlog mit den nächsten Schritten. Wir möchten einen Diego zurück, der uns mit der Faust statt mit Worten Willkommen heißt.

Remaster oder Redisaster?

Abschließend möchte ich also versuchen, die Leitfrage des Artikels zu beantworten, und zwar mit einem ganz klaren „Jaein“.

Ich wünsche mir von Herzen, dass THQ Nordic die Umfrage analysiert und daraus die richtigen Schlüsse zieht. Tauscht das Happy-Fantasy Setting wieder zurück in eine Sträflingskolonie mit düsterer Atmosphäre. Macht das Spiel schwerer, aber nicht zu einem Dark Souls-Klon und um Gottes Willen BITTE überarbeitet dieses Kampfsystem. Das sind zumindest die gröbsten Punkte, an denen die Entwickler arbeiten müssen, damit aus dem PT ein Spiel wird, auf welches ich mich freuen kann. Wünschen würde ich es mir allemal.

Wir bleiben natürlich auf dem Laufenden und informieren euch über den zukünftigen Fortschritt des Gothic Remakes – doch nun zu euch. Habt ihr den PT gespielt? Wie fandet ihr das Erlebnis? Stimmt ihr mir zu, oder habt ihr eine komplett andere Meinung? Ich freu mich, mit euch über das Thema zu schreiben!

2 comments on “Gothic – Remaster oder Redisaster?”

  1. Cali Cali Antworten

    Sehe das sehr ähnlich, besonders an der Steuerung bin ich wirklich verzweifelt. Aber sonst kann ich das Potenzial des Spiels durchaus erkennen, ich hoffe nur, dass THQ Nordic sich besinnt und wieder ‚back to the roots‘ zu den Features zurückfindet, die Gothic besonders machen und hervorheben!

Schreibe ein Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert